Hallo, mein Name ist Miriam Beyersdörfer, ich bin in der FS11b und habe vier Wochen Praktikum in einem Krankenhaus in Sri Lanka gemacht. Es war eine sehr interessante Zeit, und ich bin sehr glücklich, diese Erfahrung gemacht zu haben.
Vor meinem Abflug gab es viele organisatorische Dinge zu erledigen, auch direkt mit der vermittelnden Organisation. Es fanden mehrere Telefonate und Email-Kontakte statt, um das Visum zu beantragen, und um abzuklären, welches Projekt ich machen möchte. Weiterhin ging es darum, eine passende Gastfamilie zu finden. Für Sri Lanka habe ich mich entschieden, weil ich bereits zwei Urlaube dort verbracht habe, das Land dadurch etwas kenne und es mich interessiert hat, wie das Gesundheitssystem dort funktioniert. Da ich im sozialen Zweig der FOS bin, und im zweiten Halbjahr ein Pflege-Praktikum absolvieren musste, habe ich mich für das Nursing-Projekt in einem Krankenhaus entschieden. Da meine spätere Berufswahl ebenso damit zu tun hat, habe ich den Wunsch geäußert, auf die Mutter-Kind-Station oder auf die Kinderstation zu kommen.
Das Krankenhaus
Nach mehreren Wochen Vorbereitung ging es am 2. April von Frankfurt nach Colombo, die Hauptstadt Sri Lankas, mit einer Zwischenlandung in Dubai.
Dort am 3.April angekommen wurde ich von einem Mitarbeiter der Organisation abgeholt und zur Gastfamilie gefahren. Zum Glück kannte ich die Straßenverhältnisse dort schon und wunderte mich demnach nicht, dass wir für ca. 130 km vier Stunden gebraucht haben. Die Gastfamilie wohnt in einem kleinen Dorf direkt an der Hauptstraße, nicht weit entfernt vom Krankenhaus. Zusammen mit mir waren noch drei andere Mädchen, zwei aus Norwegen und eine aus Holland, in der Gastfamilie.
Ich teilte mir mit einer anderen Freiwilligen ein Zimmer, das nicht gerade groß war, aber ausreichend zum Schlafen. An meinem ersten Tag kam ein Mitarbeiter der Organisation und hat mir sowohl die Busverbindung, als auch das Krankenhaus und die Stadt gezeigt. Für 5 km Busfahrt zum Krankenhaus haben wir gerade einmal 15 Rupies gezahlt, was ca. 9 Cent sind.
Am Dienstag war mein erster Tag im Krankenhaus im Kreißsaal. Der Kreißsaal war ab sofort für zwei Wochen mein Einsatzbereich. Der erste Eindruck war wirklich schockierend. Durch ein Schwingtür kommend befindet man sich sofort in einem Raum für fünf Frauen gleichzeitig. Diese liegen alle in linker Seitenlage auf einer Pritsche mit Plastik abgedeckt. Natürlich ist der Kreißsaal nicht immer voll belegt, jedoch kam es an einem Tag vor, dass plötzlich sieben Frauen da waren und ihr Kind erwartet haben. Leider war es uns Freiwilligen nicht möglich irgendeine Tätigkeit im Krankenhaus auszuführen, weshalb wir auf unseren Hockern den ganzen Tag saßen und zugeschaut haben wie abweisend und schroff die Schwestern und Hebammen zu den Frauen sind. Diese sitzen den ganzen Tag auf ihren Plastikstühlen an einem Tisch, unterhalten sich, schauen Fernseher oder schlafen!
Wenn eine Frau dann mal Schmerzen hat wird sie entweder ignoriert oder das CT-Gerät wird abgelesen und geprüft wann die eingeleitete Geburt stattfindet. Auch während der Geburt ist niemand für die Frauen da, da kein Verwandter oder Ehemann mit in den Kreißsaal darf. In einer ungemütlichen Position gebärt die Frau ihr Kind. Da es einfacher ist, sowohl für die Schwestern als auch für die Ärztin später, einen Dammschnitt zu machen, wird dies bei jeder Frau ohne Betäubung durchgeführt. Nachdem das Kind dann auf der Welt ist wird die Nabelschnur durchgeschnitten, das Kind ziemlich hart „abgerubbelt“, der Mutter das Geschlecht gezeigt und nach der ersten Untersuchung angezogen und in ein Wärmebettchen gelegt. Irgendwann, wenn eine Ärztin dann mal Zeit hat, wird der Schnitt wieder zugenäht und die Frau bekommt zum ersten Mal ihr Kind zum Stillen zu Gesicht. Nach ca. 3-4 Stunden wird sie auf die normale Station verlegt. Derselbe Vorgang war bei allen 18 Geburten, die ich gesehen habe. Wenn es doch mal zu lange dauert bis das Kind kommt, wird eben ein Kaiserschnitt gemacht. Der OP-Raum ist ziemlich unhygienisch mit vielen alten Geräten und einer kaputten Liege, jedoch war der Kaiserschnitt selbst sehr steril und auch mit einem Kaiserschnitt in Deutschland zu vergleichen. Obwohl die meisten Schwestern kein Englisch verstehen oder sprechen, habe ich ziemlich viel lernen können. Wenn Visite war haben die Ärzte, die sehr gut Englisch sprechen, einiges erklärt und allein durchs Zuschauen hat man sehr viel Interessantes beobachten können. Fremdwörter, die ich aufschnappen konnte habe ich meistens gegoogelt und so vieles über Krankheiten, Komplikationen oder Methoden erfahren. Nach mehrmaligem fragen durften wir die Babys dann auch auf den Arm nehmen. Zuerst wurde uns gesagt, dass das nicht möglich ist wegen Krankheiten und Keimen. Über diese Aussage wundert man sich dann doch etwas, wenn man die unhygienischen und dreckigen Räume sieht. Zum Glück durften wir es dann doch. Ein unglaublich tolles Gefühl ein 20 Minuten altes Baby auf dem Arm zu halten und stundenlang anschauen zu können.
In den anderen zwei Wochen war ich auf der Kinderstation. Auch hier war der erste Eindruck nicht sehr gut. Alle Kinder in einem einzigen großen Raum mit rosafarbenen , unterschiedlich großen, alten, verrosteten „Betten“. Leider bestand mein Tag auch dort nur aus warten und beobachten. Wenn dann Visite war haben sich die Ärzte nur auf singhalesisch unterhalten, weshalb ich kein Wort verstanden habe. An meinem ersten Tag auf der Kinderstation gab es gleich ein Neujahrsfest. In Sri Lanka ist am 13. April ein zweites Neujahr. Diese Party auf der Kinderstation war allerdings nur für die Ärzte und uns Freiwilligen. Es gab traditionelle Süßigkeiten und Milchreis. An diesen Tagen waren kaum Kinder im Krankenhaus, weil die Familien über die Feiertage zu Verwandten gehen. Da die Mütter der Kinder 24 Stunden am Tag bei ihren Kindern sind und in der Nacht neben den Betten auf dem Boden schlafen, war es nicht möglich etwas mit den Kindern zu spielen, ohne meistens böse Blicke von den Müttern zu ernten. Die Schwestern auf der Station kümmern sich auch nicht um die Kinder, sondern sind nur dafür da, den Müttern die Medikamente für ihre Kinder zu geben oder mal den Zugang für die Infusion zu legen. Die wenigen Spielzeuge auf der Station sind leider alle kaputt und alt. Essen bekommt keiner in einem öffentlichen Krankenhaus in Sri Lanka, weshalb meistens der Ehemann oder Verwandte den Patienten Essen bringt. Allerdings ist für die Menschen in Sri Lanka der Aufenthalt, als auch die Behandlung beim Arzt kostenlos, und es wird auch kein Beitrag für eine Krankenversicherung bezahlt. Wer bessere Bedingungen möchte, hat die Chance in ein privates Krankenhaus zu gehen, was allerdings für den größten Teil der Bevölkerung nicht bezahlbar ist.
Unser Haus
Die Organisation hatte auch einige Tage im Programm, bei denen alle Freiwilligen, die in einem Medizin- oder teaching&care-Projekt waren, zusammen gekommen sind. An einem Tag hatten wir eine New-Year-Celebration-Party, bei der wir traditionelle Spiele gespielt, zusammen gegessen haben, und die Möglichkeit hatten im Pool des Hotels zu baden.
Beim Medical-Seminar fuhren wir wieder in eine andere Stadt und haben dort einen Arzt kennengelernt, der uns einiges über das Gesundheitssystem in Sri Lanka erklärt hat, und speziell auf die Krankheit Diabetes eingegangen ist.
Den Tag darauf sind wir in ein Dorf gefahren, um dort mit den Kindern einer Montessori-Schule zu spielen und ihnen zwei Geschichten zu erzählen. Eine Gruppe hat sich mit den Kindern beschäftigt, die andere Gruppe hat die triste weiße Schule in einem schönen warmen Gelb angemalt. Da ich in der Gruppe war, die die Schule angemalt hat, hatte ich an diesem Tag ziemlich viel Spaß.
An einem Samstag fand in einem Tempel ein Medical-Camp statt. Hier konnten Menschen hinkommen und kostenlos Medikamente erhalten. Wir, die Freiwilligen, haben die Patienten aufgenommen, indem wir Blutdruck und Blutzucker gemessen haben. Danach wurden sie einem Arzt vorgestellt, der ihnen Medikamente aufgeschrieben hat und wir diese zusammen mit einem Apotheker ausgegeben haben. Für mich war das eine sehr schöne Erfahrung, dass die ärmeren Menschen dort hinkommen können und kostenlose Medikamente bekommen haben. Durch die Organisation findet dieses Camp jeden Monat statt. Außerhalb der Zeit im Krankenhaus war ich oft am Strand und habe mir die nähere Umgebung angeschaut. Zwei kleinere Städte waren in der Nähe der Gastfamilie. Die Gastfamilie selbst setzt sich aus der Mutter, dem Vater und der vierzehnjährigen Tochter zusammen.
Da der Vater in Colombo bei der Polizei arbeitet, war er fast nie zuhause. Häufig waren die Großeltern da, was in Sri Lanka keine Seltenheit ist. Die Gastmutter hat für uns jeden Tag drei Mahlzeiten vorbereitet. Gegessen hat die Familie nicht mit uns. Trotz des wenigen Kontakts mit der Gastfamilie, habe ich mich dort sehr wohl und willkommen gefühlt. Wenn irgendwelche Fragen oder Probleme aufgekommen sind, hat sich die Mutter sofort darum gekümmert. An den Wochenenden ist es normal, dass die Freiwilligen das Haus verlassen um sich das Land anzuschauen. Da es aber nicht das erste Mal für mich in Sri Lanka war, wollte ich zuhause bleiben und mich an den Strand legen oder ein paar Freunde aus Sri Lanka treffen. Die Gastfamilie wollte aber zu ihren Verwandten fahren weshalb ich gezwungen war, auch irgendwo anders hinzugehen. An einem Wochenende sind wir vier Mädchen für eine Nacht nach Mirissa gefahren. Der Strand ist perfekt zum Surfen. Als Erinnerung an diese wunderschöne Zeit, habe ich mir dort ein kleines Tattoo stechen lassen.
Insgesamt bin ich sehr glücklich über die Möglichkeit mein Praktikum in einem anderen Land zu absolvieren. Es war sehr interessant zu sehen, wie dort alles funktioniert und abläuft. Durch die Menschen dort wurde die Zeit zu einem unvergesslichen Erlebnis, da alle so gastfreundlich sind und versuchen das Beste aus ihrem Leben zu machen.
Wenn es euch auch interessiert ein Praktikum in einem entfernten Land zu absolvieren, dann nutzt die Chance, fragt nach und erlebt etwas Unvergessliches.
Miriam Beyersdörfer
FS11b