Drei Wochen an der All Saints School in Weymouth, England
Die bilaterale Regierungsorganisation UK-German Connection (www.ukgermanconnection.org/hostateacher) bietet deutschen Lehrkräften an, im Vereinigten Königreich an einem dreiwöchigen Gastlehrerprogramm auf eigene Kosten teilzunehmen. Für dieses Programm hat sich Jörg Nellen mit Unterstützung der Schulleitung der FFS, der Fachleitung und der ihn vertretenden Kolleginnen und Kollegen beworben. Er war vom 04. bis 22. Januar 2016 vom Main ans Meer nach Weymouth in Südengland gegangen. Nun ist er zurück und berichtet.
Die All Saints Church of England Special Sciences and Language School in Weymouth, Dorset, ist eine kirchliche Gesamtschule, die der deutschen Sekundarstufe I entspricht (http://www.allsaints.dorset.sch.uk/). An ihr wird erfolgreich Deutsch gelehrt, was ein ausschlaggebendes Auswahlkriterium war. Weymouth ist Schweinfurt am Meer: 50.000 Einwohner, Tourismus statt Kugellager, wenig Migrationshintergrund in der Bevölkerung, aber einen Fischerei- und Fährhafen (https://de.wikipedia.org/wiki/Weymouth_%28Dorset%29).
All Saints, 1957 gegründet, stets ausgebaut, bereitet auf den Mittleren Schulabschluss GCSE vor. Alle Begabungen in einem Klassenzimmer. Das erfordert Differenzierung. Die Kolleginnen und Kollegen sind wie an der Friedrich-Fischer-Schule, Berufliche Oberschule (http://www.fosbos-sw.de/) gut ausgebildet, engagiert und motiviert. Man sieht sie mit dem Laptop unter dem einen Arm und der Teetasse in der anderen Hand ihrem Zimmer zustreben.
Die Schülerinnen und Schüler sind wie unsere in der Sekundarstufe I: unterschiedlich motiviert, begabt, leistungsfähig. Sie kommen in das Fachzimmer der Lehrkraft, wo Smartboard, Laptop und unendliche Ressourcen bereit liegen, die deutsche Lehrkräfte durch die Gänge schleppen. Beim Stundenwechsel von 500 Schülerinnen gilt: Linksverkehr, sonst wird's eng.
Da man nicht "aussieben" kann wie im deutschen Schulsystem, wird vorbereitet, motiviert, unterstützt, gefördert und gefordert und vor allem gelobt was das Zeug hält:
Lehrkraft auf eine falsche Antwort:
This was a very good shot. Anyone else who would like to share his ideas with us?
Ein fast 20 Personen umfassende Förderkollegium (pastoral system) unterstützt die Fachlehrkräfte mit immer wieder bis zu zwei zusätzlichen Personen im Klassenzimmer. Die Lehrkräfte üben, wiederholen, prüfen und bewerten solange, bis die Schülerinnen und Schüler Erfolg haben. Individualfeedback der Schülerinnen und Schüler über ihre Einschätzung ihres Wissens und Lernens wird häufig eingeholt:
- A quick show of hands: Who has heard the term 'abolition' before?
- Who of those who have heard it might be able to explain it to the others?
Der wahre Druck kommt am Ende: Abschlussprüfungen werden extern korrigiert und sind nicht verhandelbar. Die Ergebnisse werden publiziert und in eine Reihenfolge gebracht: Dieses Schul-Ranking entscheidet über Anmeldungen, diese über die Lehrkräfte, die beschäftigt werden, und über deren Gehälter (www.dorsetecho.co.uk/news/14220519.School_league_tables__Mixed_bag_of_results_for_Dorset_schools/).
Deutschunterricht basiert auf der ganzheitlichen Methode. Das vermittelt ein schnelles Erfolgsgefühl, macht aber unflexibel. Vokabel- und Grammatiklernen ist nicht verbreitet. Das meiste wird im Unterricht und durch Hausaufgaben gelernt:
Was ist dein Lieblingsfach?
Mein Lieblingsfach ist Mathe, weil es interessant ist.
Was hat die Friedrich-Fischer-Schule vom Host a Teacher Programm? An der All Saints School besteht ein großes Interesse an einem Schulaustausch. Das wäre zu verhandeln: Vom Main ans Meer und zurück: Englisch wie Deutsch lernen. Und loben: The Power of Yet ein TED-Talk von Karen Carol Dwek (https://www.youtube.com/watch?v=J-swZaKN2Ic ; diess. Teaching Backwards)
Schulleiter der All Saints School Weymouth, Kevin Broadway, Gastlehrer Jörg Nellen, Betreuungslehrer Nigel Watt.
Gast an der All Saints Gesamtschule in Weymouth, England: Jörg Nellen von der FFS.
Vergleich D – UK am Beispiel zweier Schulen
Kriterium | Friedrich-Fischer-Schule Schweinfurt | All Saints Weymouth |
Unterricht | 8 Uhr bis 13:00, ab 13:45 ggf Nachmittagsunterricht bis 15 Uhr | 8:45 registration, 8:50 bis 9:15 assembly, dann Unterricht bis 15:15 |
Lehrkräfte | 80 | 70 |
Arbeitsverpflichtung | 23 45- Min-Wochenstunden, darin AGs. Vorbereitungen und Korrekturen daheim | 23 60-Min.-Std / Woche, viele Meetings, lunchtime classes, viele AGs: kaum vor halb sechs aus der Schule, auch freitags, dann noch Korrekturen und Vorbereitungen |
Arbeitsverhältnisse | (noch) überwiegend verbeamtet, Beförderung nach Beurteilung, Alter und Leistung | kündbar, Beförderungssystem nach Beurteilung und Leistung |
Schülerinnen und Schüler | 1200 | 700 |
Klassenstärke | 27 | 27 |
Alter | 16 bis 25 und älter | 11 bis 16 |
Leistungsmessung |
mündliche und schriftliche Ziffernnoten, mathematisches Mittel |
assessments (korrigierte Unterrichtsbeiträge), controlled assessments (über mehrere Stunden im Unterricht erstellte "Facharbeiten"), pädagogische Stellungnahmen der Lehrkraft (professional judgement) |
Abschlüsse | Fachabitur, Fachgebundene Hochschulreife, Allgemeine Hochschulreife. Abschlussarbeiten werden von zwei Lehrkräften korrigiert und ggf. von der Fachaufsicht kontrolliert. | GCSE (Mittlerer Abschluss). Abschlussarbeiten werden von einer Prüfungsbehörde korrigiert (examination board) |
Hintergrund | alle Begabungs- und Leistungsstufen, die die Zugangsvoraussetzungen FOS / BOS erfüllen | alle Begabungs- und Leistungsstufen (Gesamtschule) |
Stunden für Schüler/innen |
bis zu 34 45-Minuten-Stunden in der Woche, manche Nachmittage frei |
fünf zu 60 Minuten täglich, 25 in der Woche, kein Nachmittag (auch freitags nicht) frei |
Stundenplan | drei bis fünf mal jährliche Anpassung | alle zwei Wochen neu, da nicht alle Stunden in einem Wochenstundenplan unterkommen |
Zimmer |
Klassenzimmer, in die die Fachlehrkräfte gehen |
Fachräume der Lehrkräfte, Kinder gehen hin |
Ausstattung | Smartboard mit Beamer in jedem Raum des Ofrabaus und des A-Baus, nicht in Dittelbrunn, Internetzugang im Lehrerzimmer und auf den fest installierten PCs. Arbeitsmaterialien von SuS, Schulbücher für jede Klasse. | Smartboard mit Beamer in jedem Raum, Laptops (PCs), Internetzugang, alle SuS bekommen alle Unterrichts- und Arbeitsmaterialien von der Schule, Schulbücher nicht für jedes Kind, aber in Klassensätzen in den Fachräumen. |
Förderung und Verbleib an der Schule |
Förderunterricht im 1. Halbjahr in Jgst. 11; nicht bestandene Probezeit kann zum Abbruch des Schulbesuchs führen |
ca. 20 teaching assistants, supervision für Auffällige während des Unterrichts. "Setting": phasenweise Wiederholung von Fächern. Kein Verlassen der Schule wegen Leistungsmängeln. |
Mittagspause |
keine Cafeteria, Pausenverkauf. |
Cafeteria mit mehreren warmen Essen zu günstigen Preisen. |
Schuluniform | keine bei Schüler*innen und Lehrkräften |
ja, von den Eltern nach Vorgaben der Schule zu besorgen. Auch die Lehrkräfte kommen elegant gekleidet (formal dress code) |
Jörg Nellen, OStR