Fokussieren ist beim Gedächtnis-Sport das A und O
Wie macht man Gedächtnis-Leistungen sichtbar? Das ist die Gretchen-Frage beim Mnemotechniksport. Denn anders als beim physischen Höher-Schneller-Weiter, sind die Leistungen des Gehirns, außer vielleicht unterm Rasterelektronenmikroskop, nur schwer sichtbar zu machen.
Christian Schäfer, der seit Schuljahresbeginn die Fächer Mathematik und Informatik an der Friedrich-Fischer-Schule unterrichtet, ist Gedächtnis-Weltrekordler, aber er kann auch ein Lied davon singen, dass uns Zeitgenossen halt doch nur beeindruckt, was wir mit eigenen Augen gesehen haben oder sehen können.
Schäfer ist aber nicht nur Weltrekordler, er hat es auch schon mehrfach ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. Und er wurde 2014 bei der vorletzten „Wetten, dass?“-Sendung, die in Graz stattfand, sogar Wettkönig.
Und da haben wir den Salat schon wieder
Denn es hätte in Graz nicht viel gefehlt, und Schäfer hätte die Königswürde verfehlt. Das, obwohl er seine Wette ziemlich spektakulär gewonnen hat, und sein schärfster Konkurrent, ein Grazer Baggerführer, seine Wette versiebte. Weil`s aber so schön gewesen wäre, wenn der mit der Baggerschaufel ein Tischtuch unter den darauf platzierten Gläsern weggezogen hätte, freilich ohne dass die Gläser purzeln, haben die Zuschauer doch kräftig für den Lokalmatador gevotet.
Gewonnen hat dann aber doch Christian Schäfer, der seinerzeit Conchita Wurst als Wettpatin hatte.
Schäfer machte es allerdings schon richtig spannend und demonstrierte Nerven wie Drahtseile. Seine Wette gewann er in der letzten Sekunde vor dem Abpfiff. Neunzig Sekunden hatte er Zeit, sich dreißig Memory-Kartenbilder einzuprägen. Anschließend musste er in ein Wasserbassin steigen, untertauchen, die Luft anhalten und die dreißig Bildkarten, die chaotisch durcheinander gemischt am Boden des Bassins lagen, wieder in der ursprünglichen Reihenfolge anordnen. Den Atemhol-Reiz unterdrücken, das war eigentlich das schwierigste dabei, erklärt Schäfer in der Rückschau auf die Show-Sendung.
Rüstzeug des Weltrekordlers
Fitness, Ausdauer, Konzentration, Ordnung und Kreativität sind das Rüstzeug eines guten Gedächtnis-Sportlers, meint Schäfer dann auch in einem Gespräch mit der FFS-Homepage-Redaktion.
Und so, als wollte er das anschaulich beweisen, schlägt er kurzerhand eine kleine Übung vor, die dann tatsächlich auch beim Kollegen, der blutiger Anfänger bei den Mnemotechniken ist, ganz ordentlich klappt.
Die zehn größten Städte Bayerns sollten in der richtigen Reihenfolge sortiert und erinnert werden. Hilfreich ist bei so leichten Übungen, so Schäfer, sich am eigenen Körper entlang zu hangeln. Also entwickelt er entlang des Körpers eine Wanderroute, bei der Körperteile mit Bildern verbunden werden, die man je ganz individuell zu den zehn größten Städten Bayerns assoziieren mag. Das ist der kreative Part bei der Geschichte. Man könnte also mit den Füßen beginnen und sich, so geht die Technik dann nämlich weiter, dazu ein Bild einprägen. Etwa, dass die Füße in kühlem Bier stehen. Wenn es dann an das Wiedererinnern der richtigen Reihenfolge geht, fällt einem ziemlich leicht wieder ein, wo die Füße in kühlem Bier baden. Eben: In München. Und so geht die Geschichte entlang der Reiseroute weiter. Lebkuchen hat man sich beispielsweise vor die Knie gebunden, und später wird man gewahr: Ja, die Lebkuchen gehören halt zu Nürnberg.
Also tatsächlich kein Hexenwerk, diese Mnemotechnik. Allerdings, bis man es zum Weltrekordhalter bringt, da braucht es dann doch ziemlich viel Ausdauer, Fitness, Konzentration, Übung, Ordnungssinn und Kreativität. Auch bei den Gedächtnissportlerinnen und -sportlern gilt halt: Es ist noch keine Meisterin, kein Meister vom Himmel gefallen.
Beim Mathe- und Informatik-Unterricht, so räumt Schäfer abschließend ein, sind noch ganz andere Fertigkeiten, Fähigkeiten und Talente gefordert, aber schaden tut es auch nicht, wenn man fit ist bei den Mnemotechniken.
RÜDIGER KLEIN