Ein großes Themengebiet in der 13. Klasse ist das Thema „prosoziales Verhalten und Altruismus“. Das hat jeder schon mal gehört, oder? Aber was bedeutet das genau und wie zeigt sich das im Alltag?
Prosoziales Verhalten ist eine Hilfeleistung gegenüber anderen Personen, die oft durch kleine Belohnungen motiviert ist. Im Gegensatz dazu spricht mal von einer altruistischen Persönlichkeit, wenn man nur an das Wohl des anderen denkt – ganz egal, welche Kosten ich investieren muss.
Die Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses Sozialpsychologie der FS13a haben sich mit verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten für dieses Helfen beschäftigt und verschiedene Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven dazu verfasst. Zwei Ergebnisse möchten wir Ihnen hier vorstellen.
gezeichnet von Samira Schöpfl, Inspiration durch:
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Wahrer Altruismus in Form der Empathie-Altruismus-Hypothese
von Samira Schöpfl (FS13a)
Auf der A7 Richtung Schweinfurt spielte sich gegen 21:00 Uhr ein verheerender Unfall ab.
Ein alkoholisierter Fahranfänger kollidierte mit dem Kraftfahrzeug einer Rentnerin. Das zweite Auto überschlug sich zwei Mal. Die 68-jährige wurde genau wie ihre 30-jährige Mitfahrerin schwer verletzt. Der Unfallverursacher wurde nur leicht verletzt, seine 17-jährige Beifahrerin hingegen schwer. Die Auffahropfer, genau wie die restlichen Beteiligten des Unfalls, wurden durch schnelle Hilfe Handlungen verschiedener Retter vor einem fatalen Unfallausgang bewahrt.
Interview mit der mutigen Ersthelferin
Wir haben mit der Ersthelferin Rachel K. gesprochen.
Die erste Frage unserer Redaktion bezog sich auf ihr Motiv. Wir wollten herausfinden, warum und wem sie zuerst half.
"Als ich ankam, war ein totales Chaos. Viele sind einfach am Unfall vorbeigefahren... oder haben gegafft. Ich wusste, wie traumatisierend so ein Unfall sein kann, nachdem ich letztes Jahr selbst einen miterleben musste. Das Gute daran ist, dass ich sofort wusste: Es muss gehandelt werden."
Redaktion:
"Was haben Sie gemacht, nachdem Sie die Rettungskräfte alarmierten?"
Rachel:
"Ich habe zuerst nachgesehen, wer wie schwer verwundet ist. Mal davon abgesehen, dass ich mit allen Opfern mitfühlen konnte, war eine große Sympathie-Trägerin meinerseits vorhanden. Wissen Sie, ich bin 25. Die Beifahrerin der Frührentnerin schrie panisch. Es war herzzerreißend... ich konnte es gut nachempfinden, immerhin ging es mir letztes Jahr genauso. Ich bin dann erst zu ihr, um ihr die Sicherheit zu geben, die ihr in einem Wimpernschlag weggenommen wurde…"
Warum helfen Menschen?
Schon seit einigen Jahren stellen sich Sozialpsychologen die Frage, warum Menschen in Notsituationen so handeln, wie sie es tun.
Es gibt verschiedene Theorien, die versuchen, dieses Verhalten zu erklären. Unter anderem die Evolutionstheorie, die Theorie des sozialen Austauschs und die Empathie-Altruismus-Hypothese.
Die letztere besagt, dass, wenn wir Empathie für einen Menschen empfinden, diesem helfen wollen. Egal, welche Kosten oder Belohnungen wir von dieser Handlung davontragen. Andernfalls greift die Theorie des sozialen Austausches.
In unserem Fall handelt es sich aber zweifelsohne um ein altruistisches Handeln der Retterin. Anders als andere Passanten empfand sie Empathie, da sie selbst eine Überlebende von einem für sie traumatisierenden Unfall war.
Weiterhin konnte sie nicht wissen, dass sie von uns im Nachhinein interviewt wird, noch dass sie den Dank der Familien erhält. In einem anderen Szenario hätte der Unfall fatal enden können. Sie wäre nicht weiter genannt worden und hätte ein weiteres einschneidendes Erlebnis verarbeiten müssen. Die Kosten waren hoch und auch ihr eigenes Leben war in Gefahr. Das zweite Unfallfahrzeug überschlug sich mehrmals und verlor laut Unfallbericht gut sichtbar Treibstoff. Als sich die Retterin näherte, setzte sie also ihr Leben aufs Spiel. Bei einem Unfall ist es zwar nur ein kleiner Aspekt, aber Rachel berichtet in einer Befragung unsererseits, ob sie denn objektiv betrachtet Zeit hatte zu helfen. Sie verneinte und gab an, auf dem Weg zu einem wichtigen Geschäftsessen gewesen zu sein.
Kritiker der Empathie-Altruismus-Hypothese könnten nun sagen, dass Rachel zwar geholfen hat, sich aber jetzt im Nachhinein damit profiliert. Diese Aussage lässt sich aber schnell falsifizieren durch den Fakt, dass Rachel half und wirklich dieses Geschäftsessen versäumte. Zwar genießt sie nun Dank, soziale Anerkennung und ein reines Gewissen, aber diese Faktoren waren keineswegs ihre Leitmotive. Ihr Leitmotiv war ihre Empathie gegenüber den Unfallopfern und besonders die Empathie gegenüber die 30-jährigen Beifahrerin.
So ein Verhalten ist kein Einzelfall. Batson, der Mitbegründer dieser Theorie, führte mithilfe seiner Kollegen eine Reihe an durchdachten Experimenten durch, in denen sie Eigeninteressen und Empathie mithilfe von verschiedenen Kosten und Belohnungsaspekten variierten (Batson, Ahmad &, Stocks; Batson & Powell, 2003) .Die Ergebnisse waren die gleichen wie in dem oben beschriebenen Unfall. Menschen neigen eher dazu zu helfen, wenn sie Empathie mit einem Hilfesuchenden teilen. Ganz egal, welche Kosten diese Hilfeleistung mit sich bringen mag. Wenn die Empathie weniger oder gar nicht vorhanden ist, ist das Verhalten mit der Theorie des sozialen Austauschs durchaus zu begründen.
Fachartikel zur Theorie des Sozialen Austauschs
von Selin Rondic (FS13a)
Im Sinne des gesunden Menschenverstandes sollten wir eigentlich immer jemandem helfen, wenn die Situation danach verlangt. Die meisten Menschen denken vermutlich von sich, dass sie im Falle eines Unfalls, ohne zu zögern helfend eingreifen würden. Doch so nobel dieser Vorsatz auch ist, wird er dennoch nicht in jedem Falle umgesetzt. Denn es gibt etliche Gründe, warum wir anderen helfen oder eben nicht. Verschiedene Theorien der Sozialpsychologie versuchen die Hilfsbereitschaft von Individuen zu erklären und begründen. Eine dieser Theorien ist die des sozialen Austausches.
Unter welchen Umständen kommt es nun also zu Hilfeleistungen und unter welchen nicht? Ganz allgemein hat sich gezeigt, dass man die Hilfeleistung von Menschen mittels Kosten-Nutzen-Modellen recht gut vorhersagen kann. Je größer die subjektive Erwartung über den eigenen Nutzen der Hilfeleistung ist und je geringer dessen Kosten sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Hilfeleistung erfolgt. Unserer Handlungen entspringen demnach immer aus dem Wunsch, Belohnungen zu maximieren und Kosten zu minimieren. Die Hilfeleistung basiert in erster Linie auf Eigeninteresse und somit existiert ein wahrer Altruismus auch nicht. Hilfestellungen können nun zum einen Belohnungen wie soziale Achtung oder Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls sein, schaffen es aber auch das persönliche Leiden des Zuschauers zu mindern. Um anderen erfordert die Hilfestellung aber auch Kosten, etwa in Form von Zeitaufwendung oder Geldleistung. Kommt man jetzt in eine Situation, in welcher eine andere Person Hilfe benötigt, dann wägt man Kosten und Belohnungen ab. Sind die zu erwartenden Belohnungen höher als die zu zahlenden Kosten, dann hilft ein Mensch. Sind aber die zu zahlenden Kosten größer als die zu erwartenden Belohnungen, dann hilft man eher nicht. Die Hilfeleistung ist entsprechend eine Investition in die Zukunft.
Kommt beispielsweise nun ein Passant zu einem schweren Autounfall dazu, bei welchem der Autofahrer schwer verletzt ist und in Lebensgefahr schwebt, wird er abwägen, ob die Kosten, die eigene Zeit in eine fremde Person zu investieren und sich selbst womöglich noch in Gefahr zu bringen wegen des regen Verkehrs, geringer als die Belohnung, die er sich von einer Hilfestellung verspricht, sind. Da es in der Situation um Leben und Tod geht, kann man davon ausgehen, dass der hilfeleistende Passant sicherlich zahlreiche Belohnungen zu erwarten hat. Durch die Hilfeleistung kann er davon ausgehen, dass man sich dafür bei ihm dafür bedanken wird, so werden etwa die Angehörigen des Verletzten oder auch die Rettungshelfer für die erste Hilfeleistung froh darüber sein, dass sich jemand dazu bereit erklärt hat, zu helfen. Der Passant erhält so also soziale Achtung. Des Weiteren wird er durch seine Hilfestellung dafür sorgen, dass sein persönliches Leid gemindert wird: Hilft er, so muss er sich später nicht die Frage stellen, was aus dem Verletzten geworden ist oder ob seine Hilfe vielleicht die Situation verändert hätte. Er vermeidet somit Gewissensbisse. Das heißt, trotz dass es den Passanten Zeit kostet hat und er sich selbst in Gefahr bringen hätte können, wird er dem Verletzten helfen.
Daraus folgt, dass prosoziales Handeln eine doppelte Bedeutung in sich trägt, für den Spender und den Empfänger der Hilfe. Es ist also zu jedermanns Vorteil, solche Handlungen zu fördern und loben. Betrachtet man sich die Natur des Menschen, ist dieses Geben und Nehmen auch völlig nachvollziehbar, denn treten Menschen zueinander in Beziehung, dann verfolgen sie immer ein bestimmtes Ziel, eine bestimmte Absicht. Im Falle einer Hilfeleistung ist es eben das Ziel, die Kosten zu minimieren und Belohnungen zu maximieren.