Techniker-Klasse kennt sich mit Möbiusband aus, S-Klasse sieht die Ästhetik des chiralen Objektes
Ein Bedauern ist auch diesem kurzen Bericht vom Lektüre-Unterricht in zwei 12. Klassen der Friedrich-Fischer-Schule vorauszuschicken. Dramen-Lektüre wird ja immer erst dann so richtig anschaulich, wenn die Möglichkeit besteht, auf der Bühne zu sehen, was man davor gelesen hat. Noch weit vor dem neuerlichen Lockdown in Bayern hatte das Theater Würzburg eine Aufführung von Friedrich Dürrenmatts zweiaktiger Komödie „Die Physiker“ angekündigt. Allerdings, nach der Premiere war dann auch in Würzburg schon wieder Schluss. So dass die beiden Klassen Technik 12c und Sozialwesen 12a, die aktuell Dürrenmatts Physiker im Literatur-Unterricht lesen, hinsichtlich eines Theaterbesuchs in Würzburg wohl mit dem Ofenrohr in die Schweizer Berge schauen werden. In einem abgelegenen Schweizer Sanatorium spielt die 1961 von dem Schweizer Großschriftsteller Friedrich Dürrenmatt 1961 veröffentlichte Komödie denn auch. Drei Atomphysiker sind in diesem Sanatorium untergebracht beziehungsweise untergetaucht, weil sie der Menschheit misstrauen und fürchten, die könnte sich auslöschen, wenn sie nur an das Wissen der drei Wissenschaftler käme, das diese zur Kernspaltung in ihren genialen Gehirnen angehäuft haben. Und dann geschehen drei Morde in dem Sanatorium. Die Herren Newton, Einstein und Möbius, Astronomen oder Physiker und Mathematiker aus drei Jahrhunderten, sind schnell als Täter ausgemacht und deutlich wird auch sogleich, dass die Mordtaten die drei jeweils vor Entdeckung schützen sollen. Der Rest der Geschichte ist eh bekannt und wenn nicht, dann wird er hier nicht verraten.
Der Einstieg in die Lektüre erfolgte in beiden Klassen mit einer Bastelarbeit. Die Techniker-Klasse kannte natürlich ihren Möbius, den August Ferdinand Möbius (1790 – 1868) aus Leipzig, der 1858 eine nicht orientierbare Fläche ersann, die nur eine Kante und eine Seite hat. Chiral sind Möbiusbänder also, so wie Korkenzieher oder Schneckenhäuser und auch das Zusammenspiel von rechter und linker Hand des Menschen. Kurz: einfach aufregend sind Möbiusbänder für Techniker-Klassen.
Und die Schülerinnen und Schüler der S-Klasse? Die haben sich, wie schon viele Generationen vor ihnen einfach in die Ästhetik der Möbiusbänder verguckt. Aber nicht nur die FS 12a erlag dieser zweidimensional verdrehten Schlaufen-Schönheit und machte sich mit Begeisterung an die Gestaltung von Möbiusbändern. Die Bundesregierung war schon zu Jahresbeginn 2020 auf die vor gut 160 Jahren erstmals beschriebene wundersame Schleife verfallen, die man sich als Schülerin oder Schüler sonst nur im Albtraum vorstellen mag, wie es schelmisch-scherzhaft in der FS 12a sogleich zu hören war, als das Konstruktionsprinzip durchschaut war.
Das Logo für die Europäische Ratspräsidentschaft Deutschlands im Jahr 2020 setzt sich aus der Jahreszahl 2020, dem Kürzel für die Europäische Union (EU) und aus einem in Primärfarben gehaltenen Möbiusband zusammen. Die Idee „Gemeinsam Europa wieder stark machen“, stehe hinter diesem Logo, heißt es auf der offiziellen Website eu2020.de. Und da gebe es eben keinen Anfang und kein Ende und auch kein Innen und Außen – oder doch nur alles in Einem.
Gerne zeigen wir hier abschließend einige der schönsten Möbiusschleifen, die den beiden Klassen, die sie gebastelt haben, durchaus zur Ehre gereichen.
Rüdiger Klein