„Limbo“ in der Schweinfurter Stadthalle
Zugegeben, wir haben uns mehr Publikum erhofft. Gerade am ersten Abend der beiden Aufführungen am 18. und 19. Mai 2017 von „Limbo“, präsentiert von der Theatergruppe der Friedrich-Fischer-Schule, war die Schweinfurter Stadthalle nur dünn besetzt. Die Schauspieltruppe ließ sich davon aber nichts anmerken. Im Gegenteil. Mit viel Empathie und Engagement versetzten sich die Jungschauspielerinnen und Jungschauspieler die anspruchsvollen Rollen suchtkranker Frauen und des Klinikpersonals einer Therapieeinrichtung, die Schauplatz der Tragikkomödie von Margareta Garpe ist.
Quer durch die Gesellschaft
Die Journalistin Viktoria (genüsslich durchtrieben: Chantal-Krystyna Pohl) glaubt, sie habe sich zu Recherchezwecken unbemerkt unter die Fittiche von Betty (hervorragend facettenreich: Elke Ziske), Bill (sehr überzeugend: Levin Willner) und Karlsson (unbestechlich nüchtern: Tobias Fuchs) begeben, um dort die große Story zu finden. Was sie stattdessen antrifft, sind harte Schicksale ganz alltäglicher Frauen quer durch die Gesellschaft. Da sind Millan (souverän abwechslungsreich: Tahisa McNeil), die sich „seit vierzig Jahren selbst mediziniert“, um ihr verkorkstes Leben zu ertragen, und im Rausch beinahe ihre Enkelkinder getötet hätte; Lolo, die „Junkiebraut“ und „Predigerin“ (herrlich intensiv: Delia Heinlein), die ihre Kinder „seit fünf Jahren, sechs Monaten und vier Tagen“ nicht mehr gesehen hat; Kim (hinreißend naiv und impulsiv: Janett Keilholz), die in ihren unzähligen Rauschzuständen Opfer sexueller Übergriffe, aber auch zur Täterin wurde, und Hanna (beeindruckend dramatisch: Lisa-Marie Kraut), deren gutbürgerliches Leben als Rechtsanwältin ein jähes Ende fand, als sie bei einer Trunkenheitsfahrt den Freund ihrer Tochter überfuhr.
Verplombt gelagert
Diese sitzen auf grauen Gitterkisten, in denen ihre Habseligkeiten, ihr früheres Leben, verplombt lagert und die sie immer wieder zu neuen Konstellationen zusammenstapeln. Neuzugänge müssen die erste Zeit in Bademänteln verbringen, „bis sie gebrochen sind, begreifen, warum sie hier sind.“ Viktoria akzeptiert erst ganz am Ende, dass sie selbst zum Kreis der Insassen gehört – von ihrer Redaktion und ihrem Mann unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Klinik gelockt, um dort ihre eigene Drogen- und Alkoholsucht zu erkennen und zu bekämpfen.
Großer Druck
Zunächst aber bedient sie sich fleißig an ihren eingeschmuggelten Aufputschmitteln, presst Kim ein Telefon ab („Niemand telefoniert, solange sie den Bademantel trägt!“) und liefert damit Informationen an die Presse, wodurch Bill, Leiter der Klinik, unter großen Druck gerät. Schließlich provoziert sie ihre Therapeutin Betty so sehr, dass diese die Beherrschung verliert und Viktoria im Affekt würgt. Erst als sie Bettys tragischen Rückfall miterlebt, ist sie bereit, sich der Realität zu stellen.
Ungeschminkt
Die Schauspielerinnen und Schauspieler verstanden es so gut, den ernsten Stoff ungeschminkt und authentisch zu interpretieren, dass ihnen am Ende beider Vorstellungen ein lang anhaltender Beifall beschert wurde – zu Recht!
Gekonnt unterstützt wurde die Truppe von ihrem Mitschüler Christoph Resler an der Technik. Bühnenbild und Regie: Friedemann Müller, Leiter der Theatergruppe der FOSBOS, neu dabei in der Organisation: Isabel Hein
Friedemann Müller, Oberstudienrat