Jugend-schreibt-Klasse FW11d besucht FAZ
WIR vor dem historischen EZB-Gebäude mit dem Euro-Zeichen. Nachdem die EZB in ihr neues Domizil im Frankfurter Osten umgezogen ist, wird das alte EZB-Gebäude jetzt für die Europäische Banken Aufsicht vorbereitet.
Die leuchtenden Augen der Frankfurter Banker nach dem Brexit-Referendum, neu emporwachsende Bankentürme und „auf der Zeil“ Augenflimmern vom Konsumrausch – das war der internationale Finanzplatz Frankfurt a. M. im Sommer 2016.
Die Klasse FW11d steuerte die Stadt mit Deutschlands imposantester Skyline Anfang Juli an, um im Rahmen des Projektes „Jugend schreibt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen Redaktionsbesuch bei der FAZ zu unternehmen.
Beim ewig jungen Goethe schaute man vorbei, in der Paulskirche hörte man von Demokraten, Burschenschaftern und Revoluzzern und bei einem finanzkritischen Stadtrundgang erfuhr man mehr über Demokratie und Finanzwirtschaft.
Vielleicht hilft ja am Ende gegen die Übermacht der Banken und ihrer Vorstände, die sich am Banken- und Börsenplatz Frankfurt die Finanzwelt nach ihrem Gusto zurechtbasteln, doch nur Struwwelpeters Rebellion.
Seht, da steht er, garst'ger Struwwelpeter
Kultureller Schluss- und Höhepunkt war die heftige Struwwelpeter-Revue um den Arzt und Psychiater Dr. Heinrich Hoffmann, den Vater des Struwwelpeter-Kinderbuches von 1845, aber in jedem Fall. Im Schauspielhaus Frankfurt haben wir, die FW11d und die sie begleitenden Lehrkräfte, Frau Braun und Herr Klein, ein Spektakel erlebt, bei dem uns die Augen übergingen und beinahe die Ohren weggeflogen wären. Der Friederich, der böse Wüterich, oder Paulinchen, sie wieder mal alleine zuhaus', der Daumenlutscher Konrad und die frechen Buben oder der Hans Guck-in-die-Luft, sie alle probten vor unseren Augen den Aufstand gegen ihren Erfinder und die autoritär erstarrte Biedermeier-Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts. „Übelst gut“ gelungen ist das, so unsere einhellige Meinung nach dem Theaterbesuch.
Blick von unserem Quartier in Alt-Sachsenhausen auf Frankfurt „hübe de Main“, wie es vor Ort heißt.
Ach guck an, der liederliche junge Mann
Beim Rundgang durchs Goethehaus am Hirschgraben durfte man erfahren, dass der Dichter des Werther, des Prometheus oder des Faust aus bestem Hause stammte - finanziell also mindestens so auf Rosen gebettet war, wie er nach den „Leiden des jungen Werthers“ als Superstar und Supermodel des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts groß rauskam. Als die Eltern eines Tages im Jahre 1778, Johann Wolfgang Goethe stand da schon einige Jahre in den Diensten des Weimarer Herzogs Carl August, ein Porträt des Sohnes erreichte, entspann sich darüber zwischen Johann Caspar Goethe und seiner Frau Catharina Elisabeth eine kleine Kontroverse. Die Mutter war begeistert, was für ein hübscher Junge der „Hätschelhans“ in Weimar doch geworden sei, der Vater verurteilte die Liederlichkeit des Sohnes, der sich in lässiger Pose provokant mit offenem Hemd, legerem Frack und ungepudertem Haar präsentierte. Ein wahrer Stürmer und Dränger eben, der junge Herr Goethe.
Student sein, frei sein
Das Hambacher Fest Ende Mai 1832 (Goethes Todesjahr) führte viele Tausend Studenten und Burschenschafter in ihrem Streben nach nationaler Einheit für die Deutschen, nach Freiheit, Volkssouveränität und Zollfreiheit zusammen. Man wandte sich gegen die restaurativen Bestrebungen des aus 41 souveränen Einzelstaaten gefügten Deutschen Bundes und gegen die autoritäre Leitkultur der Ära Metternich nach 1815. Freilich, es sollte noch über ein Jahrzehnt dauern, ehe sich 1848/49 in der Frankfurter Paulskirche 585 Abgeordnete zur Frankfurter Nationalversammlung einfinden konnten, um in der späten Folge einer ersten politischen Jugendbewegung auch die erste deutsche Demokratie aus der Taufe heben zu können. Dass die nicht lange überleben konnte, wissen wir heute. In der Paulskirche erfuhr man aber auch, was spätere Generationen in Sachen Demokratie besser gemacht haben: Kritische Wachsamkeit, ausdauernde Teilnahme und besonnene Wehrhaftigkeit gegen alle Totalitarismen fordert der demokratisch verfasste Staat allemal von seinen Bürgern, wenn die nicht in der Diktatur aufwachen wollen.
Die Aussicht vom Maintower, auf den wir während der Skyline-Tour geklettert sind, war atemberaubend.
Wie cool ist die denn drauf
Tags darauf, wir hatten uns vom Fußball-EM-Aus von La Mannschaft kaum erholt, stand uns in der Zentralredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die wir seit Februar 2016 täglich elektronisch frei Haus lesen, die Wirtschaftsredakteurin Maja Brankovic Rede und Antwort. Fragen nach Wirtschaft, Konsum, Zara und Zaster wusste sie, die mit 27 Jahren bereits eine journalistische Bilderbuchkarriere hingelegt hat, unbedingt spannend und witzig zu vertiefen. Und das, obwohl wir doch die erste Besuchergruppe für sie waren, seit sie Anfang 2016 bei der FAZ an Bord gegangen ist. Sie war nicht nervös und auch wir waren nicht verzagt. So geht das halt, wenn kluge Köpfe zusammentreffen. Obwohl, ein bisschen dachten wir uns schon: Ja, wie cool ist die denn drauf? Unser Prädikat für Maja Brankovic daher: „Übelst gut“!
Ich shoppe, also bin ich
Schließlich wollten wir Frankfurt dann aber doch nicht ohne einen langen Spaziergang über die Zeil verlassen, wenn wir davor auch einiges zum Ideenklau der Zara-Leute und über andere Tricksereien auf den globalen Märkten erfahren hatten. Weil für uns aber nicht ausschließlich Descartes' Erkenntnis „Ich shoppe, also bin ich“ - oder so ähnlich – Geltung beansprucht, haben wir uns vor der Shopping-Tour doch erst noch einem finanzkritischen Stadtrundgang unterzogen. Hajo Köhn, der Sprecher der Geldreformbewegung „Neue Geldordnung“, ließ uns in die Abgründe der Finanzwirtschaft in Frankfurt und international sehen. Einmal mehr wurde uns dabei bewusst, dass wir alle mitverantwortlich sind, für die Welt, in der wir leben wollen. Dass da dann doch manchmal kein Weg an Primark und H&M vorbeiführt – Descartes, der frühe Aufklärer und Konsumverächter, er möge es uns noch einmal nachsehen.
Klasse FW11d
mit StRefin Silke Braun und StR Rüdiger Klein