Dokumentarfilm nennt Ross und Reiter des Rechts-Rock
Am Strickmuster der Rechtsextremisten in Deutschland habe sich in den vergangenen gut eineinhalb Jahrzehnten, seit der Dokumentarfilm „Blut muss fließen“ fertiggestellt wurde, nicht allzu viel geändert, so der Filmemacher und Regisseur Peter Ohlendorf jetzt bei seinem Besuch an der Friedrich-Fischer-Schule (FFS) in Schweinfurt.
Bereits zum vierten Mal ist Ohlendorf mit dem durchaus beklemmenden Dokumentarstreifen „Blut muss fließen“ des Journalisten und Kameramanns Thomas Kuban an der FFS zu Gast gewesen. Und wieder erzeugte die mutige Arbeit von Kuban und Ohlendorf bares Staunen, bedrücktes Entsetzen und konstruktive Nachfragen und Diskussionen mit den Schülerinnen und Schülern der zwölften Klassen und der Integrationsvorklasse (IVKL).
Farbe bekennen gegen braune Soße
Corinna Lindacher, Politik-Lehrerin und Leiterin des Projektes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ an der FFS, wollte im Zuge der kurzen Vorstellung von Film und Regisseur nicht an den Ereignissen vorbeisehen, von denen das Schweinfurter Tagblatt im Januar 2023 berichtet hatte. Da richtete die Partei „Der III. Weg“ ein Büro in Schweinfurt-Oberndorf ein, um vermeintlich näher bei den Bürgerinnen und Bürgern zu sein, die angeblich mit ihren Bedürfnissen von den etablierten demokratischen Parteien regelmäßig vergessen und übersehen würden. Und natürlich bot sich ein Termin um den Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar für die Veranstaltung an.
In Ohlendorfs Film, der Kubans Paradebeispiel für Investigativjournalismus in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, wird der Finger in die Wunde einer jeden Demokratie gelegt. Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Will sagen: Wer sich nicht um demokratisch-freiheitliche politische Bildung aller Generationen bemüht, der darf auch nicht klagen, wenn die Demokratie durch Extremismus, Rassismus, Verleumdungen, Verschwörungstheorien, Volksverhetzung und Gewalt bedroht wird oder Schaden nimmt.
In Kubans und Ohlendorfs Film geht es um Menschen verachtenden Neonazismus, um die Verherrlichung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen, um die Heiligsprechung Hitlers durch aktive Neonazis und darum, wie das alles, bis hin zur Leugnung des Holocaust, lange schon Einzug in die rechte, im wesentlichen neonazistische Rockmusik gefunden hat.
Bekanntes Strickmuster
Die Neonazis in Deutschland und anderen Ländern auf der Erde nützen dabei die Affinität junger Menschen zu harter Rockmusik. Mit Liedtexten, Party und manipulativ-unredlicher Freundschaft umgarnen sie die Jugend. Letztlich wollen sie Abhängigkeit von sich erzeugen und die Unsicherheit vieler junger Menschen für sich instrumentalisieren, indem sie Verbrecher als Helden und Führungsfiguren anbieten. Manchen Menschen, die so in den Bann falscher und hinterhältiger Kameradschaft geraten, gelingt es nur schwer, sich wieder aus dem braunen Morast zu befreien. Wie eine Droge, kann mit Rechts-Rock untermalte Nazi-Ideologie das Leben eines Menschen zerstören, alle seine Menschlichkeit und Empathiefähigkeit abtöten.
Nie wieder!
Helfershelfer des Genozids und gewissenlose Tötungsmaschinen wollten die Nationalsozialisten aus den Deutschen machen. Und nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft sickerten nicht wenige Nazis ins politische System der Bundesrepublik ein. Sofort begannen sie mit ihren Zersetzungsaktionen gegen die bundesdeutsche Demokratie. Dies immer theatralisch begleitet von der Selbststilisierung zum Opfer, begleitet vom permanenten Versuch, mit Provokationen Brandmauern der Demokratie einzureißen und untermalt von einer Gewalt verherrlichenden Begleitmusik, vor allem Rechts-Rock, die besonders verunsicherte junge Menschen mit vermeintlicher Stärke und Lautstärke vereinnahmen soll. Liedtexte, die dazu auffordern, jüdisch-gläubige Menschen auf offener Straße zu ermorden, Jubelarien auf den Menschheitsverbrecher Adolf Hitler und Selbstverherrlichung durch plumpe Mystifikation sind die Werkzeuge, mit denen Nazis und Rechts-Rocker junge Menschen fangen wollen und ältere oder ewiggestrige Menschen offenbar auch immer wieder erreichen.
Der Film „Blut muss fließen“, der seinen Titel von einem Mordaufrufslied der Nazi-Gruppe „Tonstörung“ hat, förderte bei den Schülerinnen und Schülern in der Diskussionsrunde mit Peter Ohlendorf dann aber auch zu Tage, dass die Schülerinnen und Schüler der FFS nicht für Lügengespinste, Verschwörungstheorien, verhetzende Parolen oder mit harter Rockmusik kaschierte Liedtexte zu haben sind, die auf die Verherrlichung von Nazi-Größen, Massenmord, Rassismus oder Umdeutung der Geschichte gerichtet sind.
Lange auf dem rechten Auge blind
Ein Wermutstropfen ist dabei freilich, dass sich noch zu Beginn der 2000er Jahre die deutschen Strafverfolgungsbehörden, aber auch so manche politische Entscheider lieber taub stellten, als dass sie sich hätten wachrütteln lassen von dem, was die Rechtesten der Rock-Szene vom Stapel ließen und lassen.
An Peter Ohlendorf kann man also nur die Aufforderung richten, nicht nachzulassen in seinem Bemühen, mit feinem pädagogischem Gespür die jungen Menschen in Deutschland auf die Gefahren rechtsextremistischer Rockmusik hinzuweisen. Menschenrechte statt rechte Menschen bleibt dann nicht nur griffiger Slogan gegen Nazis.
RÜDIGER KLEIN